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von Joe » 22 Dez 2019, 19:30
StZ
Der VfB Stuttgart und die Trainerfrage
Tim Walter weiter auf der Kippe
Von Dirk Preiß 22. Dezember 2019 - 19:07 Uhr
Beim VfB Stuttgart diskutiert der Führungszirkel weiter über die Zukunft von Trainer Tim Walter. Klar ist: Beim 2:2 hat der Coach keine Pluspunkte sammeln können, die Zweifel sind nicht kleiner geworden.
Stuttgart - Die groß angekündigte Analyse beim VfB Stuttgart begann schon auf der Rückreise aus Hannover. Am Sonntag wurde sie fortgesetzt, und noch immer, so heißt aus dem Lager der Weiß-Roten, ist das Bild noch nicht vollständig zusammengesetzt. „Es kommt alles auf den Tisch“, hatte Sven Mislintat noch am Samstag in Hannover angekündigt, „wir schauen uns die Tabelle an, wir schauen uns die Entwicklung an, wir schauen uns den Kader an, und wir gucken, was wir besser machen können.“ Und am Ende schauen sie sich womöglich tief in die Augen und sagen: Lass uns das Ganze beenden.
Eine weitere Zusammenarbeit wurde zwar nicht ausgeschlossen, alles andere als die Trennung von Tim Walter noch in der Winterpause wäre nach den Eindrücken vom Samstag jedoch eine Überraschung. Die Zweifel an der Arbeit des Trainers und deren Erfolgsaussichten waren bei Vorstandschef Thomas Hitzlsperger und Sportdirektor Sven Mislintat bereits vor dem Rückrundenauftakt in Hannover groß. Genährt aus einer Herbstserie von fünf Niederlagen in sieben Spielen, von der Auswärtsschwäche, den immer wiederkehrenden Rückständen, unnötig offensiven Ansagen („Uns stellt keiner ein Bein“) und dem Problem der mangelnden Chancenverwertung, das Coach und Team nie in den Griff bekommen haben. Dazu kam: Begeisternde Spiele bot der VfB nicht wie vorgesehen im Wochenrhythmus – sondern so gut wie nie. Und dazu kam auch: die Partie bei Hannover 96.
Die erste Hälfte ist unterirdisch
2:2 hieß es am Ende – was noch einigermaßen vernünftig klingt für ein Auswärtsspiel beim Mitabsteiger. Aber einerseits war es bereits das fünfte Spiel nacheinander in der Fremde ohne Sieg (bei drei Niederlagen und zwei Unentschieden). Zum anderen war die erste Hälfte das Schlechteste, was der VfB in dieser Saison abgeliefert hat. Die Reaktion nach der Pause war da nur ein schwaches Signal der Wiedergutmachung. Und so fließt in die Analyse des Istzustands eine sportlich durchwachsene Bilanz ein.
„Wir haben fünf Niederlagen kassiert und sind heute knapp an der sechsten vorbeigeschrammt“, klagte Mislintat am Samstag und wurde deutlich: „Das ist nicht die Bilanz eines Aufsteigers.“ Auch seine Kaderplanung, das betonte der Sportdirektor, käme auf den Prüfstand. Allerdings ist sich der frühere Dortmunder Chefscout ziemlich sicher, dem Trainer ein Personal zur Verfügung gestellt zu haben, das den Aufstieg in die Bundesliga sicher erreichen und dabei noch schönen Fußball spielen kann. Was Tim Walter bisher daraus machte, ist Mislintat wohl schlicht zu wenig.
Der Aufstieg ist ein Muss
Der Coach dagegen verwies auch am Samstag in Hannover auf sein aus seiner Sicht tolles Verhältnis zur Mannschaft, schon zuvor hatte er die Entwicklung der vergangenen Monate gelobt und um weitere Zeit für seine Arbeit geworben. Doch die wird er wohl eher nicht bekommen. Die Strategen an der Mercedesstraße sehen das Ziel Aufstieg nach den Geschehnissen der vergangenen Wochen – nach der ersten Niederlage am neunten Spieltag holte der VfB nur noch elf Punkte aus neun Spielen – erheblich in Gefahr. Klar ist: Viele Ausrutscher darf sich der Absteiger in den restlichen 16 Partien der Rückrunde nicht mehr erlauben. Denn die Mär vom Sommer, der Aufstieg sei in dieser Saison kein Muss, wird in Stuttgart längst nicht mehr erzählt.
Die Lage hat sich verändert – und das betrifft vor allem die sportlichen Entscheider. Hitzlsperger und Mislintat hatten sich nach dem Abstieg ganz bewusst für einen radikalen Neuanfang entschieden. Und für einen Trainer, dessen Eigenschaften bekannt waren: Mitunter großspurig im Auftreten, ist er ein Vertreter eines komplett ungewöhnlichen Spielstils. Das wollte der VfB, das hat er bekommen – doch Überzeugung und Rückendeckung schwanden im Laufe der Hinrunde mehr und mehr. Zuletzt kam sich Tim Walter wohl eher alleingelassen vor, da seine Chefs der generellen Debatte über seine Person nie entschieden entgegentraten. Lediglich Vollzugsmeldungen oder Nachfolgespekulationen wurden dementiert. „Es geht nicht um Tim Walter“, sagte Mislintat am Samstag nur, „es geht darum, wie wir alle besser werden.“ Die von Hitzlsperger noch vor wenigen Monaten erhoffte Kontinuität ist mittlerweile ein untergeordneter Punkt dieser Saison.
Der VfB mutete sich zuletzt viel zu
Der AG-Chef ist eingeholt worden von den Realitäten der Branche, die er mittlerweile nennt, wenn es um mögliche Entscheidungen geht. Da er bereits im Frühjahr wohl zu lange an Markus Weinzierl festgehalten hatte, ist seine nächste womöglich die Beendigung des Projekts mit Tim Walter. Das geriet zum Experiment, da der VfB sich neben einem neuen Trainer auch eine neue Mannschaft, eine neue Sportliche Führung, einen neuen Präsidenten, einen neuen Vorstandsvorsitzenden und einen neuen Spielstil verordnete. Die Suche nach einer neuen Club-DNA läuft zudem.
Auf der Trainerposition ist nun also ein Neuanfang wahrscheinlich. Aber was dann? Sandro Schwarz, bis vor Kurzem Coach von Mainz 05, hat laut Sky schon abgewinkt. Viele anderen nahe liegende Optionen (Jan Siewert?) gibt es nicht, eine interne Lösung scheint unwahrscheinlich. Und auf ein erneutes Experiment mit einem auf diesem Niveau und unter diesem Druck unerfahrenen Trainer kann sich der VfB im Grunde nicht einlassen.
"Wir in einem guten Flow...."